Lasst die Spiele beginnen. Das Ende der Passstaffel.
Gemacht haben wir es alle schon: Man nehme eine gerade Anzahl an Spielern, stelle sie gegenüber auf und lässt sie Pässe spielen. Der hinlängliche Gedanke: „Wir trainieren das Passspiel“ oder „Wenn sie die einfachen Sachen nicht können, wie wollen sie das dann im Spiel hinbekommen“. Die Wahrheit ist eine ganz andere. Inzwischen ist bewiesen, dass es nicht „leichter“ und „schwerer“ ist, sondern vielmehr etwas anderes ist und Übertragungseffekte bei weitem nicht so weit reichen, wie die meisten denken. Aber eins nach dem anderen.
Warum wir uns täuschen lassen
Ein typischer Trainersatz in der Vorbereitung lautet doch: „Da müssen wir wieder ganz von vorne beginnen“ – aber wie kann das sein? Bedeutet Training nicht eben Dinge vermitteln, die langfristig abrufbar sind? Der Grund liegt häufig in der Art und Weise des Trainings. Man weiß inzwischen sehr genau, dass Inhalte, die auf Übungsbasis (vorgegebene Wiederholungen ohne Gegner) vermittelt wurden, langfristig nicht abrufbar sind.
Aber warum fällt uns Trainer das nicht auf und warum haben wir trotzdem das Gefühl, mit Übungen etwas zu verbessern? Zum einen verbessern wir tatsächlich Inhalte, nämlich das Üben an sich. Mit einer Passstaffel verbessern wir die Fähigkeit der Spieler, eine Passstaffel zu absolvieren. Zum anderen ist der (sehr) kurzfristige Lerneffekt in Übungen dem Lerneffekt aus Spielformen leicht überlegen. Und so entsteht natürlich der subjektive Eindruck im Training: „Ey, ich verbessere doch die Jungs“ – gerade, wenn der Maßstab dann wieder die Übung ist.
Kann ich das Eine, kann ich auch das Andere – oder?
Die andere Frage ist die nach den Übertragungseffekten. „Wenn ich den Ball ohne Gegner passen kann, kann ich es auch mit Gegner besser“. Und auch wenn beides irgendwie gleich aussieht, ist es strenggenommen etwas komplett Unterschiedliches. Beide Dinge werden im Unterbewusstsein unterschiedlich voneinander abgespeichert und als unterschiedliche Lernerfahrungen verbucht. Ein gutes Beispiel bietet eine Studie mit Schachgroßmeistern.
„In den letzten Jahren hatte ich das Gefühl, man muss immer wieder mühsam erklären, warum man jetzt mehr Spielformen ins Training einbauen sollte und weniger übt. Inzwischen bin ich an einem Punkt, an dem ich die Argumentationspflicht eher auf der anderen Seite sehe. Mir soll jetzt erstmal jemand erklären, warum denn geübt werden soll.“ Jonas Stephan von Coach2
Sie wurden vor die Aufgabe gestellt, sich eine Situation auf dem Brett innerhalb von zehn Sekunden einzuprägen und im Anschluss zu rekonstruieren. Sind sie in dieser Aufgabe besser als jemand, der mit Schach nichts zu tun hat? Das kommt darauf an: Wurde eine Situation vorgegeben, die auf natürliche Weise auch aus dem Spiel heraus entstehen kann, waren die Fähigkeiten der Schachgroßmeister unbestritten und sie konnten das Brett ohne Fehler innerhalb von Sekunden rekonstruieren. Wurde eine Situation gezeigt, die nicht aus dem Spiel entstehen konnte, waren sie in dieser Aufgabe nicht besser als ihre schach-unerfahrenen Gegner.
Der Rahmen, in dem Lernen stattfindet ist also sehr eng auf die Situation zugeschnitten, die gerade stattfindet. Strenggenommen verbessert man mit der Passstaffel nur die Fähigkeit der Spieler, die Passstaffel besser zu absolvieren.
Lasst die Spiele beginnen
Was heißt das alles jetzt für uns Trainer? Ganz einfach: Spielen, spielen und nochmals spielen. Spieler brauchen die Erfahrungen, Erfolge und Misserfolge aus Spielformen und nicht die Bestätigung, dass sie ein Hütchen ausdribbeln können.
Lasst uns die Passstaffel begraben, sie hat ihren Dienst getan. Möge sie in Frieden Ruhen und lasst die Spiele beginnen.
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1 Kommentar
Hallo,
ja ich stehe auch hinter diese Art zu traineren stoße aber auf sehr viele Vorbehalte und Spieler/innen die unter anderen Coaches jetzt schon stereotyp spielen und sich auf festgefahren Muster und Abläufe berufen..