Wie lernt Messi (und jeder andere) eigentlich?
Um sich den Dingen dieser Welt zu nähern, gibt es mehrere Möglichkeiten. Im Fußball wird viel aus einem „das haben wir immer schon so gemacht“ oder „das machen andere so“ abgeleitet (sog. ‚Reasoning by Analogy‘). Um sich aber wirklich dem Kern zu nähern und auf dem Fundament der Wahrheit zu stehen, werden Ideen auf klare und unbestrittene Prinzipien (sog. ‚First Principle Reasoning‘) gefußt. Für unser Training bedeutet dies einen Blick abseits des Platzes in die grundsätzlichen Prinzipien des Lernens, bevor wir diese auf den Platz verpacken und umsetzen können.
“Ich denke, es ist wichtig, eher nach ‚First Principles‘ als nach Analogien zu argumentieren. Die normale Art, wie wir unser Leben führen, ist, dass wir analog argumentieren. Analogien leiten uns dazu, die Dinge zu machen, wie sie immer gemacht wurden oder wie sie andere machen. ‚First Principles‘ reduzieren die Dinge auf die grundlegendsten Wahrheiten… und argumentieren dann von dort aus.“ – Elon Musk (https://www.youtube.com/watch?v=NV3sBlRgzTI)
Bilder erschaffen unsere Realität
Versetzen wir uns einmal in Lionel Messi (cooles Gefühl, oder?) und betrachten die Welt aus seinen Augen. Er bekommt den Ball 40 Meter vom Tor entfernt, halbrechts. Er dribbelt Richtung Tor, ein Gegenspieler kommt von rechts und will ihm den Ball abnehmen. Eine kurze Körpertäuschung später ist er 25 Meter frei vor dem Tor, schaut hoch, holt aus und spielt einen brillanten Pass mit links rechts durch eine Lücke auf seinen Mitspieler, der ein Tor erzielt.
Treten wir einen Schritt zurück und betrachten das Ganze von außen. Was hat seine Entscheidungen beeinflusst? Woher wusste er, dass er mit einer einfachen Körpertäuschung vorbeikommt und woher wusste er, dass ein Pass die bessere Option ist als ein Schuss?
Die Antwort steckt in der Art und Weise wie wir lernen. Jeder Moment unseres Lebens wird als Bild aufgefasst. Wir schießen sozusagen jede hundertstel Sekunde ein Foto, das für immer abgespeichert wird. Genau so passiert es auch bei Messi. Jeder Schritt seines Dribblings und alles, was er sieht, wird gespeichert. Entscheidungen basieren in der Folge aus dem Abgleich zwischen den aktuellen Bildern (dem beschriebenen Dribbling beispielsweise) und vergangenen ähnlichen Bildern. Aus dem Trial & Error -Prinzip (also der Frage „Was war in dieser Situation bisher immer am erfolgreichsten?“) heraus kommt es dann zu unbewussten Entscheidungen.
Die richtigen Bilder schaffen
Welche Konsequenz ergibt sich daraus für unser Training? Ganz einfach: Wir müssen den Spielerinnen und Spielern die Möglichkeit geben, so viele Bilder wie möglich zu sammeln, damit sie möglichst optimale Entscheidungen am Spieltag treffen. Trainerinnen und Trainer müssen dabei darauf achten, die Spieler in Situationen zu bringen, die dem Spiel (mit einem gewissen Maß an Abweichung) entsprechen. Einen guten Anhaltspunkt, wie das möglichst ohne Fehler konstruiert werden kann, bieten Auslöser. Jedes Verhalten auf dem Spielfeld, sei es ein Pass, ein Schuss, eine Bewegung ohne Ball – alles passiert auf der Grundlage von Informationen, die sich aus der Umgebung ergeben. Wir nennen dies Auslöser.
Sehen wir uns das Ganze doch einmal genauer an, was Auslöser anhand von zwei Trainingsformen sind:
Szenario 1: Das Spielfeld wird auf ein halbes Feld und etwas mehr Breite als den Strafraum begrenzt. Es werden Außenzonen markiert (ca. 5m Breite). In den Außenzonen haben die Spieler freie Kontaktzahl, dürfen also frei dribbeln. In der mittleren Zone sind nur zwei Kontakte erlaubt. Man könnte hier schnell auf die Idee kommen, dass Spielverlagerungen trainiert werden sollen, wird der Ball doch von einer Seite zur anderen bewegt, weil dort die meisten Kontakte ermöglicht sind. Die Konsequenz ist jedoch eine andere: Die Spieler lernen Bilder, die sie so nicht im Spiel wiederfinden werden. Das Spiel wird niemals durch Hütchen oder Räume eine Spielverlagerung ‚diktieren‘. Diese Spielform provoziert damit eine Spielverlagerung, trainiert sie aber in keiner Weise.
Szenario 2: In dieser Spielform wird eine Provokationsregel für die verteidigende Mannschaft festgelegt. Diese darf ausschließlich in zwei aneinander liegenden Zonen verteidigen. Die Mannschaft in Ballbesitz findet also folgende Situation (Bilder) vor: Viele Gegenspieler direkt vor ihnen und Platz auf der anderen Seite. Hieraus ergibt sich die beste Lösung dieser Aufgabe: eine Spielverlagerung. Hier wird nun die Taktik ‚Spielverlagerung‘ trainiert und verbessert, da die beste Lösung in dieser Situation der besten Lösung im späteren Spiel entspricht. Hier werden folglich Bilder abgespeichert, die in der entsprechenden Spielsituation als Referenzpunkt dienen.
Übrigens: die erste Spielform provoziert eine Spielverlagerung, trainiert folglich das Verhalten gegen eine Spielverlagerung.
Cover-Bildquelle (Lluís from Sabadell (Barcelona) – Wikipedia)