Trainersprache: Es könnt‘ alles so einfach sein, ist es aber nicht!
Als Trainerinnen und Trainer bereiten wir uns die ganze Woche akribisch auf den nächsten Gegner vor. Wenn wir mit den Trainerkollegen in die Analysen gehen, entstehen Diskussionen, die für Außenstehende schwer nachvollziehbar sind. In hohem Tempo werden Fachbegriffe in den Raum geworfen oder mit Zahlenkombinationen unterschiedliche Formationen diskutiert. Am Ende des Tages sollten wir jedoch auf einen gemeinsamen Nenner kommen und aus der Fachsprache eine adressartengerechte Sprache entwickeln.
In unserer Serie „Trainersprache“ zeigen wir euch, was uns die Serie „The Big Bang Theory“ für unsere Gespräche lehrt und wie eine Mail von Elon Musk die Kommunikation innerhalb eurer Mannschaft stärken kann. Außerdem blicken wir über den Tellerrand hinaus und klären, was Obama mit dem Playbook der LA Rams zu tun hat.
Der Matchplan
Als Cheftrainer des 1. FC Nürnberg wurde Robert Klauß nach einer Niederlage gegen den FC St. Pauli auf seinen Matchplan angesprochen. Nachdem ein Reporter behauptete den Matchplan nicht erkannt zu haben, erklärte Klauß diesen in kürzester Zeit. Die Sprache, die er dabei wählte, klang jedoch, für den Laien so kurios und irritierend, dass sie in den Medien für viel Aufmerksamkeit sorgte:
„Wir sind in einem 4-2-2-2 auf Pressinglinie 1 angelaufen. Nach Ballgewinn wollten wir über den ballfernen Zehner umschalten. In Ballbesitz sind wir in eine Dreierkette abgekippt mit dem asymmetrischen Linksverteidiger und dem breitziehenden linken Zehner, sodass wir in ein 3-4-3 respektive 3-1-5-1 – je nachdem wo sich Dove aufgehalten hat – abgekippt sind. Die Frage ist: Wie haben wir es umgesetzt?“. – Robert Klauß
Erinnerungen – Rasenschach mit Domenico Tedesco
Ein ähnliches Interview gab bereits Domenico Tedesco zu seiner Zeit bei Schalke 04. Nach einem Spiel gegen die TSG Hoffenheim erläuterte Tedesco seine ständigen Formationswechsel innerhalb des Spiels. Nach seinen Aussagen reagierte Schalke wie beim Schach auf jeden einzelnen Zug des Gegners.
Im Allgemeinen sehen wir bereits an dieser Stelle, dass solche Interviews heutzutage immer häufiger vorkommen. Besonders spannend wird es, wenn wir das Interview von Tedesco mit dem Interview von Klauß vergleichen, denn beide Interviews weisen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede auf.
Gemeinsamkeiten – Die Drake-Gleichung
Für Außenstehende klingen die beiden Interviews sehr kurios. Beide Trainer haben einen äußerst komplexen Sachverhalt – der sich auf 90 Minuten Fußball bezieht – in ungefähr 22 Sekunden wiedergegeben. Dabei wurden fast ausschließlich Fachbegriffe und Formationen verwendet. Spieler werden diese Sprache nicht nachvollziehen können, weil sie sich auch nicht stundenlang mit dem Thema beschäftigen.
Wir Trainerinnen und Trainer werden auch die Drake-Gleichung nicht verstehen, wenn wir uns nicht über einen langen Zeitraum mit der Kontaktaufnahme zu Außerirdischen beschäftigen. Aus diesem Grund hört sich die erwähnte Gleichung in der Serie „The Big Bang Theory“ auch so amüsant für uns an. Wenn wir sie ernsthaft verstehen wollen, benötigen wir eine Person, die uns den Sachverhalt langsam und verständlich erklärt.
Unterschiede – Mathematik und Fachchinesisch
Wenn wir beide Interviews inhaltlich vergleichen, erkennen wir, dass Tedesco sich viel mehr auf eine Spielphase fokussiert hat als Klauß. Tedesco betont immer wieder, wie Schalke gegen den Ball gespielt hat. Er reagiert auf die Umstellungen des Gegners und wechselt andauernd die Formation. In dem beigefügten Interview betont er aber auch, dass diese Zahlenspielchen nicht alles sind.
„Es hört sich eher wie Mathematik an, aber es ist alles halb so wild. Es geht natürlich schon auch um Taktik, aber nicht nur um Taktik. Es geht um viel mehr und deswegen gewinnen wir auch unsere Spiele, weil es um Leidenschaft geht, um Kampf, um Mentalität und Charakter“. – Domenico Tedesco
Klauß hingegen fokussiert sich auf den gegnerischen Ballbesitz, die Balleroberung und auf den eigenen Ballbesitz. Besonders letzteres wird mit einem ausgeprägten Fachvokabular beschrieben. Er spricht vom „asymmetrischen Linksverteidiger“ und vom „breitziehenden linken Zehner“. Außenstehende und vermutlich auch viele seiner Spieler werden im ersten Moment nichts mit diesen Begriffen anfangen können. Deswegen ist es umso wichtiger, die dahinterstehenden Handlungsanweisungen adressatengerecht zu formulieren.
„Spieler bekommen Handlungsanweisungen“
Nach der Pressekonferenz wurde viel über die Aussagen von Robert Klauß diskutiert. Während die eine Seite behauptete, er hätte nicht die Fähigkeit mit den Spielern zu kommunizieren, unterstützte ihn die andere Seite, da er lediglich auf die Fragen der Journalisten geantwortet hat. Auf der folgenden Pressekonferenz betonte er selbst, dass die Aussage bloß überspitzt formuliert war und er so natürlich niemals mit seinen Spielern kommunizieren würde. „Spieler bekommen von mir ganz klar andere Anweisungen, Handlungsanweisungen und die werden über einen längeren Zeitraum eingeübt“, sagte Klauß.
Fazit
Als Trainerinnen und Trainer sprechen wir überwiegend mit unseren Trainerkollegen, in Interviews und mit unseren Spielern. Wir müssen uns immer wieder die Frage stellen, wie und mit wem wir sprechen. Unsere Sprache sollte so ausgelegt werden, dass unsere Gesprächspartner die Gesprächsthemen nachvollziehen können und nicht bloß abnicken. Im Idealfall können wir unseren Gesprächspartnern eine Frage stellen, um herauszufinden, ob sie im Gespräch mitgekommen sind oder noch Verständnisprobleme haben.
Tedesco und Klauß haben eine Sprache gewählt, die ihre Trainerkollegen einfacher nachvollziehen werden als die Journalisten. Nichtsdestotrotz haben sie im Wesentlichen die gestellten Fragen beantwortet und damit auch überhaupt nichts falsch gemacht. Sie hätten sich aber vermutlich selbst ein paar Nerven gespart, wenn sie für das Verständnis der Journalisten eine leichtere Sprache gewählt hätten. Wirklich schlimm wird es für uns Trainerinnen und Trainer erst dann, wenn wir eine Sprache nutzen, die unsere Spieler nicht nachvollziehen können. Aus diesem Grund werden wir uns im nächsten Teil noch genauer mit der Sprache zwischen Spieler und Trainer auseinandersetzen.
Coverfoto: Vlad1988/Shutterstock.com